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Hellblade: Senua's Sacrifice
1. Spieldetails
Genre: Action-Adventure | Publikationsjahr: 2017 | Studio: Ninja Theory | Analyse von: Olivia Stutz, Lina Schembri
2. Spielbeschrieb
Basierend auf der keltischen und nordischen Mythologie erzählt das Spiel die Leidensgeschichte der jungen keltischen Kriegerin Senua gegen Ende des 8. Jahrhunderts, die seit ihrer Geburt von Psychosen geplagt wird. Von ihren Mitmenschen unverstanden, werden ihre Halluzinationen und Wahnvorstellungen als „Fluch der Dunkelheit“ bezeichnet, der zunehmend zu ihrer Realität wird. Im Mittelpunkt des Spiels steht Senuas visionäre Heldenreise in eine fiktive Wikingerwelt, die wohl nur in ihrer Vorstellung existiert: Im Reich der Toten («Helheim») versucht sie, ihren verstorbenen Geliebten Dlilion aus dem Einflussbereich der Göttin Hela zu befreien und ins Reich der Lebenden zurückzuholen.
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=cV2KvjuV92A&t=1s
3. Soundbeschrieb
Aufgrund der vorliegenden schizophrenen Erkrankung Senuas, die sich in Form von immersiven, audiovisuellen Halluzinationen äussert und ebenfalls die Wahrnehmung der Spieler:innen verzerrt, spielt die teils unheimlich-atmosphärische Geräuschkulisse eine zentrale, wenn nicht treibende Kraft für das Spiel. Die Funktion des Sound Designs verfolgt das Ziel, Senuas verstörende Innenwelt für die Spieler:innen auditiv erfahrbar zu machen. Der Fokus liegt daher auf einer wahrnehmungsorientierten Immersion, Subjektivierung und Narration. Neben Dialogen, die in zahlreichen cineastisch anmutenden Videosequenzen, die Senuas Geschichte erzählen, vorkommen, treten die auditiven Halluzinationen als Voice-Overs, Stimmen oder diffuses Geflüster auf. Diese fungieren folglich nicht nur als passive Untermalung, sondern agieren als konstante, aktive Akteure in allen Spielszenarien. Da dem Spiel jegliche UI fehlt, fungieren die Halluzinationen als zentrale, aber indirekte Feedback-Zentrale: Sie kommentieren die Handlungen des Avatars, unterstützen diese, verunsichern sie oder beleidigen sie. Die dreidimensionale Soundperspektive evoziert dabei oft klaustrophobische und desorientierende Zustände. Der Sound in Hellblade: Senua’s Sacrifice ist also nicht nur Stimmungsträger, sondern mechanischer Bestandteil des Spiels.
4. Wahrnehmung
4.1 Immersion via Simulation
Ob es sich um das Dahintreiben auf dem Fluss „Gjöll“ handelt, das Betreten eines unheimlichen Leichen-gebietes in einem dunklen, von einem starken Wind durchfegten Wald oder das Besteigen eines verschneiten Berggipfels – die Soundscape des Spiels setzt auf eine wahrnehmungsorientierte Perspektive, die auf Immersion via realistische Simulation unserer Welt setzt. Obwohl die Spielfigur Senua in den sagenumwobenen Naturlandschaften von Hellblade: Senua's Sacrifice überwiegend alleine unterwegs ist, ist sie niemals wirklich allein. Die auditiven Halluzinationen stellen einen ständigen Begleiter dar und fungieren häufig auch als kognitive Entlastung zu den visuellen Halluzinationen.
4.2 Zustandsveränderungen
Obwohl aus der Perspektive eines geistig gesunden Menschen Videosequenzen und audiovisuelle Hallu-zinationen, die sich häufig überschneiden, diese Wahrnehmung der natürlichen Welt durchbrechen, grob verzerren, und über den Verlauf des Spiels zunehmen, sind sie letztlich ein weiterer Realismus-Anspruch des Spiels, Schizophrenie auditiv spielerisch zu vermitteln. Die Videosequenzen erzeugen oft entweder besonders lautmalerische oder albtraumhafte Geräuschkulissen, die den Spieler:innen die Nackenhaare aufstellen. Eine weitere bedeutende Mechanik des Spiels, das Fokussieren im regulären Gameplay oder während des Kampfes, erzeugt auch im Sound Design eine Fokussierung der Aufmerksamkeit und eine Zustandsveränderung. Die erste Variante erlaubt eine Interaktion mit einem Objekt, wobei unwichtige Geräusche, insbesondere aber auch die auditiven Halluzinationen, ausgeblendet werden. Die zweite Variante erzeugt im Kampf eine Verlangsamung der Zeit, was den Spieler:innen vermehrt Zeit für Heilen oder Angriff erlaubt. Der hierbei ausgelöste Sound-Effekt kann als eine Form von dumpfem Rauschen beschrieben werden, wobei andere Geräusche wesentlich absorbierter erscheinen.
5. Verhältnis Aktion → Sound
5.1 Direkte Kommunikation
Jede Aktion im Spiel, ob gehen, klettern, fokussieren, kämpfen, oder das Öffnen einer Tür ist mit immersiven Interaktionssounds bestückt.
5.2 Indirekte Kommunikation
Das Fehlen einer grafischen Benutzeroberfläche oder eines Tutorials kann dazu führen, dass Spieler:innen besonderen Gefallen daran finden, Aktionen auszuprobieren und dabei auf akustische Rückmeldungen der Halluzinationen zu warten. Sie können als Indikatoren in ver¬schiedenen Kontexten fungieren, wie beispielsweise bei der Entdeckung von Fähigkeiten, der Lösung von Rätseln, der Warnung vor potenziellen Bedrohungen im Kampf, der Motivation zu be¬stimmten Handlungen oder der Kommentierung des Verhaltens des Avatars im Spiel.
6. Raum
Der Realismus-Anspruch der Geräuschkulisse von Hellblade: Senua's Sacrifice zeigt sich auch in der sensorischen Gestaltung des Raumes, die eine Lebendigkeit der Spielwelt simuliert. Die Verwendung unterschiedlicher Materialien, wie beispielsweise altes Holz, harter Stein oder fliessendes Wasser, wird kontinuierlich durch den Sound angedeutet und intensiviert das Gefühl von Haptik und atmosphärischem „Game Feel“. Archetypische Ambiente-Geräusche von gewaltigen Naturlandschaften treten dabei in einen spannenden Kontrast zum kinematischen Raum in Videosequenzen bzw. Halluzinationen. In diesen wirkt der Raum häufig durch das Sounddesign entrückt, verzögert, sehr weit (Echo) oder klaustrophobisch klein. Die auditiven Halluzinationen treten entweder in einer konkreten räumlichen Verortung (links, rechts, hinten, oben etc.) oder in einer verstreuten Form aus allen Richtungen auf. Bei letzterem fungieren die Töne als alles andere als Landmark-Sounds, da sie zu einer hochgradigen räumlichen Desorientierung beitragen, das insbesondere bei den labyrinthartigen Rätselstrukturen zutage tritt.
Vergleich mit xxx